Ich erhole mich immer noch ein wenig von den letzten stressigen Wochen und habe heute die rechte Spalte meines Blogs etwas aktualisiert. Die dramatischte Änderung ist das Hochschießen eines Eintrags zum Buch Bittere Orangen von Ersi Sotiropulu. In den letzten Monaten haben 294 LeserInnen auf meinen letztjährigen Eintrag geklickt (hier klicken), der über das Gerichtsurteil zum Zurückziehen des prämierten Buchs aus den griechischen Schulbibliotheken berichtete und mittlerweile nach der zweiten Instanz (Berufung) wieder in den Schulbibliotheken zu finden ist.
Ich habe die deutsche Übersetzung nicht gelesen, allerdings kann ich auch nicht dazu empfehlen, es zu tun. Wenn sich schon im Titelblatt so viele Fehler anhäufen, wie wird es dann im Fließtext aussehen?
Der Titel Bittere Orangen ist falsch. Richtig wäre Bitterorangen oder Pomeranzen, wenn überhaupt, es handelt sich nämlich um eine andere Frucht und doch nicht um Orangen, die bitter sind. An sich ist es unklar, warum nicht der Titel etwas mehr dem Griechischen ähnelt, nämlich Zick-zack zwischen den Pomeranzenbäumen (Ζιγκ-ζαγκ στις νερατζιές). Das Zick-zack ist das, was das Buch charakterisiert, nämlich einen polyphonischen Roman, der die Irrgärten der menschlichen Seele im Alltag beschreibt. Die Pomeranzenbäume geben einfach die Szenerie wieder, sie sind ein urbaner Zierbaum, der insbesondere in der griechischen Hauptstadt anzutreffen ist.
Unklar ist es auch, warum der Name der Schriftstellerin in Sotiropoulos, also Maskulinum, geändert wurde. Die Praxis Feminina in Maskulina zu ändern ist nicht üblich. Nur (im Ausland) anverheiratete oder in Deutschland geborene Griechinnen und Deutsche bekommen den Namen des Vaters bzw. Ehemanns unverändert. Diese Behördernpraxis scheint in Deutschland jedoch auch aus der Mode zu geraten. Die hessische SPD-Politikerin, Andrea Ypsilanti, hat ein femininen Nachnamen, sie heißt nicht Ypsilantis, wie ihr Ex-Ehemann.* Das würde bedeuten, dass es nicht nur idiotisch ist, den Namen einer Schriftstellerin zu verfälschen, sondern dass damit auch die Information gegeben wird, Frau Sotiropulu sei keine Griechin, oder sie habe höchstens einen griechischen Mann oder wenn sie überhaupt eine Griechin sein soll, dann ist sie in Deutschland geboren (gemeldet usw.). Doris Wille, die Übersetzerin aus Kefalonia, scheint sich nicht drum zu interessieren, dass sie mit dem neuen Namen eine neue Schriftstellerin erschaffen hat.
Bild amazon.de
*Bei Russinen scheint die Tatsache, dass Frauen anders als Männer heißen nicht so große Schwierigkeiten zu bereiten. Sie heißen seit eh und je Karenina (nicht Karenin), Popov/wa (nicht Popov/w), Gorbatschowa (nicht Gorbatschow). Warum denn also dieser Sonderweg der Griechinnen? Ist er massiver Immigration und Mischehen geschuldet? Schierem Unwissen? Ich weiß es nicht.
Ich habe die deutsche Übersetzung nicht gelesen, allerdings kann ich auch nicht dazu empfehlen, es zu tun. Wenn sich schon im Titelblatt so viele Fehler anhäufen, wie wird es dann im Fließtext aussehen?
Der Titel Bittere Orangen ist falsch. Richtig wäre Bitterorangen oder Pomeranzen, wenn überhaupt, es handelt sich nämlich um eine andere Frucht und doch nicht um Orangen, die bitter sind. An sich ist es unklar, warum nicht der Titel etwas mehr dem Griechischen ähnelt, nämlich Zick-zack zwischen den Pomeranzenbäumen (Ζιγκ-ζαγκ στις νερατζιές). Das Zick-zack ist das, was das Buch charakterisiert, nämlich einen polyphonischen Roman, der die Irrgärten der menschlichen Seele im Alltag beschreibt. Die Pomeranzenbäume geben einfach die Szenerie wieder, sie sind ein urbaner Zierbaum, der insbesondere in der griechischen Hauptstadt anzutreffen ist.
Unklar ist es auch, warum der Name der Schriftstellerin in Sotiropoulos, also Maskulinum, geändert wurde. Die Praxis Feminina in Maskulina zu ändern ist nicht üblich. Nur (im Ausland) anverheiratete oder in Deutschland geborene Griechinnen und Deutsche bekommen den Namen des Vaters bzw. Ehemanns unverändert. Diese Behördernpraxis scheint in Deutschland jedoch auch aus der Mode zu geraten. Die hessische SPD-Politikerin, Andrea Ypsilanti, hat ein femininen Nachnamen, sie heißt nicht Ypsilantis, wie ihr Ex-Ehemann.* Das würde bedeuten, dass es nicht nur idiotisch ist, den Namen einer Schriftstellerin zu verfälschen, sondern dass damit auch die Information gegeben wird, Frau Sotiropulu sei keine Griechin, oder sie habe höchstens einen griechischen Mann oder wenn sie überhaupt eine Griechin sein soll, dann ist sie in Deutschland geboren (gemeldet usw.). Doris Wille, die Übersetzerin aus Kefalonia, scheint sich nicht drum zu interessieren, dass sie mit dem neuen Namen eine neue Schriftstellerin erschaffen hat.
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*Bei Russinen scheint die Tatsache, dass Frauen anders als Männer heißen nicht so große Schwierigkeiten zu bereiten. Sie heißen seit eh und je Karenina (nicht Karenin), Popov/wa (nicht Popov/w), Gorbatschowa (nicht Gorbatschow). Warum denn also dieser Sonderweg der Griechinnen? Ist er massiver Immigration und Mischehen geschuldet? Schierem Unwissen? Ich weiß es nicht.
3 Kommentare:
Hallo Eleni,
ich habe soeben ganz zufällig über Google deinen Blog entdeckt. Er scheint sehr interessant zu sein, und ich werde ihn mir noch näher ansehen.
Mit einiger Verspätung möchte ich aber gleich vorweg etwas zu deinem schon mehr als ein Jahr zurückliegenden Eintrag betreffend die deutsche Übersetzung des Buches von Sotiropulu/Sotiropoulos sagen:
Du tust der Übersetzerin Unrecht. Einfach um mein Griechisch bzw. meine eigenen Übersetzungsfähigkeiten zu schulen, habe ich das Original und die deutsche Fassung sorgfältig Satz für Satz parallel gelesen und verglichen. Doris Wille hat den Roman einwandfrei und makellos übersetzt. Es gibt daran nichts auszusetzen. Man kann insofern die Lektüre der deutschen Übersetzung jedem empfehlen, der den Text kennenlernen möchte. Er liefert ein inhaltlich und stilistisch völlig korrektes "Abbild" des Originals.
Zu den zwei formalen Punkten, die dich stören:
- Buchtitel sind immer so eine Sache. Ich glaube, wie ein solcher lautet, entscheidet oft nicht der/die Übersetzer/in, sondern der Verlag. Und für den spielen dabei wahrscheinlich zu einem Großteil auch "nicht-literarische" Erwägungen eine Rolle; soll heißen: "Wie mache ich durch den Titel das Publikum auf das Buch neugierig?" Und mit dem Titel "Zick-zack zwischen den Pomeranzenbäumen" würden in unseren Breiten wohl viel weniger Leute auf das Buch aufmerksam als etwa mit "Bittere Orangen". Du hast allerdings Recht damit, dass "Bitterorangen" eher gepasst hätte. (So ist das Wort "νεραντζιές" dann übrigens auch im Text selbst übersetzt.)
- Zur Schreibweise des Namens der Autorin: Ich habe mich zwar auch immer wieder gewundert, dass die Familiennamen griechischer Frauen in der transkribierten Fassung mit der maskulinen Endung versehen werden. Aber es scheint die (jedenfalls weitgehend) übliche Vorgangsweise zu sein (oder bis vor kurzem gewesen zu sein?). Zum Beispiel findest du den Namen der griechischen Politikerin Ντόρα Μπακογιάννη immer wieder als Dora Bakogiannis (also mit s) transkribiert (etwa auf der Webseite der Deutschen Botschaft Athen).
Kurzum:
Die deutsche Übersetzung des Buches ist viel besser, als du anhand dieser beiden Details vermutest.
Meine Kritik richtet sich also nicht gegen die Übersetzung, aber: gegen das Original.
Um es direkt zu sagen: Ich habe noch selten ein derartig miserables, gehaltloses und uninteressantes Buch gelesen wie dieses. Ein Buch, bei dem ich mich immer wieder gefragt habe: Warum hat es die Autorin geschrieben, warum erzählt sie uns diese Geschichte (wenn es denn überhaupt eine solche ist)? Und vor allem: Wie kommt es, dass dieses Buch mit Literaturpreisen ausgezeichnet wurde?
Die Figuren werden überhaupt nicht plastisch; bei manchen fragt man sich, wozu sie überhaupt in dem Buch vorkommen, wo sie doch ohnehin kaum eine Rolle spielen (etwa Nina). Der Inhalt ist abstrus und völlig an den Haaren herbeigezogen; das beginnt schon bei der geplanten Rache an dem Krankenpfleger. Und erzählerisch weist das Buch genau denselben Mangel auf wie jede schlechte Literatur: Es beschreibt hartnäckig irgendwelche in der Sache völlig unwichtige Details - offenbar nur mit dem Zweck, die Seiten des Buches zu füllen.
Dass in Griechenland politisch rechts stehende Kreise die Entfernung des Buches aus den Schulbibliotheken erzwingen wollten, wusste ich nicht. Deine diesbezüglichen Blogeinträge muss ich erst lesen. Soweit ich es überflogen habe, geht es um den Vorwurf, das Buch enthalte anstößige Szenen.
Nun, wie immer man dazu stehen mag. In Schulbibliotheken gehört das Buch tatsächlich nicht - und zwar schon aus einem ganz anderen Grund: Man sollte jungen Leuten kein Buch vorsetzen, durch dessen Lektüre ihnen bloß nutzlos die Zeit gestohlen wird. ;-)
Hallo Vienneze,
vielen Dank für deinen langen Kommentar und die zusätzlichen Informationen zur Übersetzung, wie auch deine Mühe das Original und die Übersetzung zu vergleichen.
Sicher hast du Recht, dass der Titel und wahrscheinlich auch der Name der Schriftstellerin nicht in Eigenverantwortung von der Übersetzerin verhunzt wurden, und dass der Verlag da eine Teilverantwortung trägt. Keine Frage. Allerdings ist es auch so, dass nur der Übersetzer / die Übersetzerin die sprachliche und kulturelle Kompetenz hat, zum Beispiel über solch gravierende Folgen, wie die Namensänderung, den Verlag darüber zu informieren. Ich glaube dem Verlag ist es egal, ob sie Sotiropulos oder Sotiropulu heißt. Dem interessierten Leser ist es jedoch nicht egal. Also dir und mir.
Zu deiner Beobachtung zu der Namensschreibung: Es ist mittlerweile passé (ich würde meinen schon seit Ende der 80er, definitiv seit den 90ern) Namen zu maskulinisieren. Bei prominenten Frauen ist es jedoch weiter üblich, aber dann in Eigenverantwortung (also Bakojanni selbst schreibt sich dann so, übrigens eine Konservative, während Melina Merkouri, eine progressive, schon in den 60ern so bekannt war, und nicht als Merkouris).
Das Problem, was ich ansprach, ist jedoch nicht nur ein politisches oder ästhetisches, sondern ein identitätsstiftendes, denn Sotiropoulos wurde in der Erstübersetzung die Frau nur heißen, die im Ausland geboren ist oder einen Griechen angeheiratet hat. Daher ist es einfach falsch sie so zu nennen. Wenn sie es natürlich wie Bakojannis es selbst täte, wäre es sicherlich dann allein ihre Schuld ;-)
Ich hoffe, du wirst in meinem zur Zeit etwas vernachlässigten Blog (ich schreibe sicher wieder öfter, es ist nur gerade eine Frage der Zeit) fündig. Du kannst gern weiter kommentieren, was dich beschäftigt oder interessiert.
Viele Grüße nach Wien(?)
Eleni
P.S.: Da du schriebst, dass du die Übersetzung, auch um deine Übersetzungsfähigkeiten zu schulen, mit dem Original verglichen hast, darf ich annehmen, dass du ein Übersetzer bist? Für Griechisch?
Hallo Eleni,
danke für deine Antwort und vor allem auch für die Informationen zur Schreibweise der Namen. Ich muss ehrlich gestehen, dass mich die maskuline Schreibweise nicht so sehr aus den von dir genannten Gründen gestört hatte (diese Gründe waren mir nämlich weitgehend noch gar nicht bekannt), sondern vor allem aus einem ganz banalen praktischen Grund: Es ist verwirrend, wenn man sich denselben Namen in zwei Formen denken muss, je nachdem in welcher Sprache man mit ihm zu tun hat: Wenn man von Ersi Sotiropulu im Deutschen spricht oder schreibt (oder einfach nach ihrer Buchveröffentlichung auf Deutsch sucht), darf man nicht vergessen, dies in der Form Sotirop(o)ulos zu tun. Frau Bakogianni wäre im Deutschen (offenbar auch nach ihrem eigenen Wunsch) als Frau Bakogiannis zu bezeichnen - man darf also das "s" nicht vergessen, während es im Griechischen ein Fehler wäre, usw. Griechische und "deutsche" Variante auseinanderzuhalten, ist also mühsam - und deshalb bin ich ein Anhänger der konsequenten Verwendung der femininen Form, wenn es um den Familiennamen der Frau geht. ;-) Wenn sich das mit den von dir genannten substanziellen Argumenten deckt - umso besser.
Schön, dass du mir meine massive Kritik am Buch(-Original) nicht übel genommen hast. Eigentlich war das ja gar nicht Thema deines Blog-Eintrags, aber ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, meinen Unmut darüber zu äußern. ;-) (Was auch daran liegt, dass ich die Lektüre des Buches erst vor wenigen Tagen beendet hatte.)
Übersetzer bin ich leider nicht - jedenfalls nicht beruflich. Ich mache das Ganze nur als Hobby. Aber das Thema Übersetzung / griechische Sprache interessiert mich sehr. Deshalb finde ich auch deinen Blog sehr interessant.
Von mir selbst gibt es auch ein bisschen etwas zu dem Thema im Internet. Die Links poste ich aber nicht hier. Ich werde bei meinem Profil die e-mail-Adresse hinzufügen, und wenn du willst, kannst du mich dann gern direkt anschreiben.
Schönen Abend aus Wien (genau) ;-),
Viennezos
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