20.07.2007

Eine Leipziger Alumna in Griechenland

Letzte Woche hat der akademische Senat der Universität Leipzig trotz erheblicher Bedenken zweier (von vier) Statusgruppen für die Verleihung einer Ehrendoktorawürde an die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel mit knapper Mehrheit entschieden. Frau Merkel bekommt somit ihre zweite Auszeichnung als Dra. h. c. nachdem ihr im April durch die Hebräische Universität Jerusalem der Titel der Ehrendoktorin der Philosophie verliehen wurde. An der Universität Leipzig soll sie nun durch die Fakultät für Physik und Geowissenschaften geehrt werden. Frau Merkel hat in Leipzig Physik studiert und in Berlin promoviert. Sie unterbrach diese um in der Zeit der Wende sich von der FDJ zu trennen und somit ihre politische Karriere im Christdemokratischen Lager zu beginnen.

Diese Ehrung bringt meines Erachtens die Universität in Erklärungsnot:
  1. da die ungeschriebene Regel der Universität somit gebrochen wird, keine amtierende PolitikerInnen zu ehren
  2. da die Verleihung des Dra. h. c. an wissenschaftliche Verdienste, nämlich an außerordentliche Verdienste im Bereich der Physik geknüpft ist.
Leider konnten die BefürworterInnen aus der Physik nicht belegen, wie auch die Pressemitteilung der Universität knapp zusammenfasst, dass in der Tat außerordentliche wissenschaftliche Verdienste vorliegen. Die Promotionsordnung der Universität ist jedoch, wie oft in Deutschland, recht restriktiv.

Sehr bedenklich finde ich als Mitglied des Senates, dass somit der Anschein erweckt wird, dass die Universität aus politischem Opportunismus handelt und nicht aus (wissenschaftlicher) Überzeugung. Die BefürworterInnen des Antrags argumentieren, dass die Verdienste für die Physik daran zu knüpfen sind, dass Frau Merkel mit ihrem Führungstil und ihrem politischen Handeln als Physikerin bzw. Naturwissenschaftlerin hervortritt und somit ein Vorbild sei. Darüber hinaus sollte sie eine politische Persönlichkeit verkörpern, welche international Konzilianz und Kompetenz ausstrahlt. Ihre Verdienste als Umweltministerin sollten dabei auch auf ihren naturwissenschaftlichen Hintergrund zurückzuführen sein. Die GegnerInnen missbilligen die ihres Erachtens schwache Argumentation und die Schaffung eines Präzedenzfalles für die weitere Ehrung von amtierenden PolitikerInnen. Darüber hinaus sind sie erbost, da sie wie oft über den Antrag von der Presse und nicht von der Fakultät erfahren haben.

Mir kommt alles, ehrlich gesagt, sehr konstruiert vor. Ich kann nicht die Fürargumente folgen und die Gegenargumente sind mir auch nicht das Gelbe vom Ei:


  1. Ist doch nicht jedeR, die/der ein hohes Amt bekleidet, ein Vorbild? Ist das eine hinreichende Bedingung für einen DoktorAtitel?
  2. Ist ein politisches Agieren, welches grob als naturwissenschaftlich (also welches eher negativ konnotiert ist, beispielsweise als kühl, grob, starr, wenig diskursfreudig) tatsächlich eine Werbung für die Naturwissenschaften?
  3. Wie kommen die Deutschen PhysikerInnen dazu zu behaupten, dass Frau Merkel Konzilianz oder sogar Kompetenz international ausstrahlt? Während des G8 Gipfels in Heiligendamm waren die griechischen Zeitungen voll mit Kritik über ihre "inkompetente" Führung insbesondere in der Umweltpolitik. Ihre EU- RatspräsidentInnenschaft wurde im europäischen Ausland ebenfalls nicht als erfolgreich angesehen. Nur die deutschen Medien fanden alles ganz toll. So eine politische Bewertung ihrer Arbeit ist Aufgabe der WählerInnenschaft und nicht eines akademischen Senates, letzter hat jedoch genau dies getan.
  4. Und ob der Verdienst als Physikerin im Umweltministerium ist, gegen den Willen der Bevölkerung und des Bundeslandes Niedersachsen Castor- Transporte durchzusetzen und für die Kernenergie zu werben, bleibt dahingestellt.
Heute ist Frau Merkel zum Staatsbesuch in Griechenland, sie (verab)redet über den Kosovo und die EU und wie wichtig die deutschen Firmen für Griechenland sind. Einige Tage zuvor hatte sie den Beitritt Zyperns, wessen Nordteil heute vor 33 Jahren besetzt wurde, in die EU bereut. Wie wenig Ahnung sie von Südosteuropa und seinen Problemen hat, wie wenig sie Konzilianz ausstrahlt ist an ihrer höchst inkonsequenten, widersprüchlichen Haltung in Fragen des Balkans und der Griechisch-Türkisch-Zyprischen Beziehungen meiner Meinung nach zu sehen.

Wenn ich jedoch die Seite des Auswärtigen Amtes zu den politischen Beziehungen von Deutschland und Griechenland lese, wird mir alles klar. Die Unreflektiertheit über politische Zusammenhänge und eine romantische Interpretation der griechisch-deutschen Beziehungen ist kein Merkmal einer naturwissenschaftlich geprägten Bundeskanzlerin sondern offensichtlich eine Taktik Deutschlands Kulturimperialismus, wie diesen in Zeiten von König Otto, dem die Bürokratie, das lückenhafte und antiquierte Rechtssystem und vor allem die Monarchie mitzuverdanken ist und Barbarei, wie diese in der NS- Zeit in Griechenland, wo ganze Dorfbevölkerungen durch Exekution, Deportation oder Hungersnot ausgelöscht wurden, zu verdrängen.

Also muss ich mich revidieren, Frau Merkel, mag vielleicht objektiv nicht international Konzilianz und Kompetenz ausstrahlen, die deutsche Wahrnehmung ist jedoch entscheidend und offensichtlich der springende Punkt. Dies habe ich an einer "internationalen" Universität vergessen. Also nehme ich alles zurück, wenn die Fakultät für Physik denkt, sie sei der personifizierte Erfolg einer Physikerin, die beste Werbung für die Naturwissenschaften und überhaupt was ganz Tolles für dieses Land, dann werde ich schweigen und gratulieren.

Liebe Alumna Merkel, viel Erfolg weiterhin und ein gutes Gelingen in der Neuen Weltordnung!

Bild Leipzig, die alte Universität- Eικόνα Λειψία, το παλιό πανεπιστήμιο

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Naturwissenschaftlich = kühl, grob, starr und wenig diskursfreudig?
Oder leitest Du das direkt vom politischen Verhalten Merkels ab und verküpfst es dann mit "naturwissenschaftlich"?

Steht in Leipzig tatsächlich Dra. auf der Urkunde? Es würde mich ja sehr freuen, aber ich lese das erste Mal was von der weiblichen Schreibweise des Dr..

Cheretismi apo mia ali Eleni

Eleni hat gesagt…

Hallo mia alli Eleni,

danke für dein Interesse.

"naturwissenschaftlich" wird in der Öffentlichkeit bei Merkels politischem "Führungsstil" eher negativ und nicht positiv konnotiert. Hast du eine andere Wahrnehmung?

Definitiv definiere ich nicht naturwissenschaftlich, wie oben, sondern frage mich, ob dieses Attribut wirklich, wie die PhysikerInnen es möchten, verstanden wird.

Ich bezweifle, dass auf der Urkunde Dra. stehen wird, höchstens, wenn sie es fordert.

Auf jeden Fall hast du als Frau das Recht, auch eine korrekte (auch grammatikalisch korrekte) Bezeichnung zu führen. Es ist weiterhin in Deutschland nicht Usus, aber auch keine Ausnahme. In Spanien, Italien und Polen scheint, dass Dra. weiter verbreitet als in den deutschsprachigen Ländern zu sein.

Eleni hat gesagt…

Auch in Brasilien und in Hispanoamerika habe ich Dra. gelesen. Schließlich wissen die Latin@s besser, wie lateinische Titel zu führen sind ;-)